Das verhexte U-Boot
Bericht über einen angeblichen Spuk auf U-65 im ersten Weltkrieg
Von Viktor Farkas
Aus dem "Wiener Basta" vom Oktober 1994
Im ersten Weltkrieg machte ein deutsches Kriegschiff dem sagenhaften
"Fliegenden Holländer"Konkurrenz. Der bis heute ungeklärte Spuk rief schließlich sogar klerikale Geisterjäger auf den Plan.
Am frühen Morgen des 10. Juli 1918 steht der Ausgang
des ersten großen Krieges im 20. Jahrhundert fest. Die
Entscheidungsschlachten sind geschlagen, die Niederlage der
Mittelmächte Deutschland und Donaumonarchie sowie der verbündeten
Türkei ist besiegelt. Obwohl nur noch ein Wunder den Alliierten ihren
Sieg streitig machen könnte, ist Leutnant Paul E. Foster,
Kommandant des amerikanischen U-Boots L-2, bei seiner Patrouillenfahrt
im östlichen Atlantik auf der Hut:
Der geschlagene Feind hat immer noch scharfe Zähne. Besonders die
gefürchteten kaiserlichen Unterseekreuzer dürfen nicht unterschätzt
werden. Die sieben Millionen Bruttoregistertonnen
Schiffsvolumen, die allein im Jahr 1917 von der
deutschen U-Bootwaffe auf den Grund des Meeres geschickt worden waren,
blieben den Westmächten unvergeßlich.
Daher schlägt Fosters Mannschaft auch
sofort Alarm, als in der Nähe des irischen
Cape Clear ein deutsches U-Boot im Periskop sichtbar wird:
Der schlanke, dunkle Schiffskörper liegt wie verlassen im Wasser;
auf dem Turm ist deutlich die Zahl 65 zu lesen. Und noch etwas ist
klar zu erkennen: die aufgerichtete Gestalt eines Offiziers, der
reglos mit verschränkten Armen auf Deck steht und in die Ferne blickt.
Captain Foster betrachtet nicht lange die bizarre Szene und lässt
seine U.S.S. L-2 in Angriffsposition manövrieren. Aber die
amerikanischen Torpedos bleiben in ihren Schächten: Urplötzlich und
ohne Jede Vorwarnung atomisiert eine titanische Explosion das deutsche
Boot buchstäblich. Unheimlich wird das Erlebnis für die US-Marines,
als trotz intensiver Suche weder Wrackteile noch Überlebende, ja nicht
einmal der obligate Ölfleck zu entdecken sind.
Damit endet die Geschichte des deutschen Geisterschiffes U 65 ebenso dramatisch
und mysteriös, wie sie zwei Jahre zuvor begonnen hatte. Die U 65 war im
Herbst 1916 in der Werft von Brügge, Hauptstadt der belgischen Provinz
Westflandern, gebaut worden. Mit einer Besatzung von drei Offizieren
und 31 Seeleuten sollte sie einer Einheit von insgesamt 24 U-Booten
der flandrischen Flotte angehören, die vom Hafen Zeebrügge aus
operierte.
Unheimliche Vorkomnmisse verhinderten dies jedoch von Anfang an.
Während des Baues kamen fünf Männer ums Leben; ein sechster beging
vor dem ersten Probetauchen auf offenem Meer durch einen Sprung ins
Wasser Selbstmord.
Der Tauchversuch selbst endete ebenfalls in einem Desaster.
Die U 65 konnte sich zwölf Stunden lang nicht vom Meeresboden
lösen. Wieder im Hafen, wurden Proviant und
Munition für den ersten Einsatz an Bord genommen. Dabei detonierte
ohne ersichtlichen Grund ein Torpedo und tötete fünf
Matrosen und einen Leutnant.
Der verunglückte Leutnant verwandelte das Unglücksboot in ein
Geisterschiff. Regelmäßig pflegte er die U 65 bei ihren
Feindfahrten heimzusuchen. Schweigend schritt der Tote
durch die engen Gänge oder stand plötzlich wie eine Statue auf dem
U-Boot-Deck. Genauso. wie es der amerikanische Kommandant
Foster beohachtet hatte.
Die deutsche Seekriegsleitung wollte sich vorerst nicht mit dem
herumspukenden Offiziersgeistern befassen und befahl der Mannschaft
des "verhexten U-Bootes" sich gefälligst am Riemen zu reißen.
Die gefechtsgestählten Seeleute wollten sich jedoch nicht als
abergläubische Waschweiber abkanzeln lassen. "Wir sind
keine hysterischen Memmen", schrieb ein Maat an
seinen Vorgesetzten, "aber
wir haben den Geist gesehen. Wir haben uns nichts eingebildet; was wir
gesehen haben, haben wir gesehen. Das ist die Wahrheit."
Der kommandierende Offizier des Marinekorps in Brügge, Admiral von
Schröder, dachte nicht daran, noch mehr Zeit zu verschwenden, und
ordnete eine unorthodoxe, aber -wie er hoffte-
zielführende Radikalmaßnahme an: professionellen Exorzismus.
Ein Geistlicher ging an Bord, absolvierte die vorgesehenen
Rituale und teilte der Admiralität mit, daß der Spuk nunmehr ein Ende
haben müßte.
Dem war nicht so. Die Seeleute kamen nicht zur Ruhe: Der erste
Kanonier Eberhardt beging Selbstmord, nachdem er dem Phantom begegnet
war. Maat Richard Meyer sprang aus demselben Grund über Bord.
Als dann der U-Boot-Kommandant selbst dem Geist begegnete, wurde die
gesamte Besatzung ausgetauscht. Aber offensichtlich beendete selbst
das den Spuk nicht, denn keine zwei Wochen später zerstörte sich die
U 65 in Gepenwart der Mannschaft der amerikanischen L-2 auf
spektakuläre Weise, nachdem eine reglose Offiziersgestalt an Deck
gesichtet worden war.
Bald darauf untersuchte der deutsche Marinepsychologe Professor Hecht
den Fall eingehend. Sein Bericht wurde niemals veröffentlicht, aber
Hechts Schlußfolgerungen drangen dennoch an die Öffentlichkeit.
Darin gibt der Professor zu, keine alternative Erklärung zur "Geistertheorie" anbieten zu können.
Viktor Farkas ist Autor der Bücher "Unglaublich, aber
wahr" (Humboldt-Verlag) und "Verborgene Wirklichkeiten"
(Buchgemeinschaft Donauland). Im nächsten
WIENER/Basta: Der Mann mit dem Röntgenblick.
Vielen Dank an Erwin Sieche, der mir diesen Artikel zuschickte.