Kameraden... damals wie heute!
Ein Bericht über die 5. Feindfahrt von U-618
Von Kurt Baberg, Kommandant von U-618, U-30 und U-827
Dieser Bericht schildert Auszüge aus KTB von U-618, von der 5. Feindfahrt.
Ende Dezember 1943 befindet sich U-618 ca.10-15 Seemeilen von der portugiesischen Küste entfernt und fährt in nordöstlicher Richtung. Es ist stockdunkle Nacht und es herrscht mittlerer Seegang aus Nordwest, die
auf den Turmplattformen aufgestellten Maschinenwaffen sind besetzt. Mit alliierten Flugzeugen muß in diesen Gewässern rund um die Uhr gerechnet werden. Das Boot blieb in dieser Nacht unbehelligt, bei dieselelektrischer Fahrt, d.h. einer der beiden Diesel ist auf Ladung geschaltet,während
der zweite Motor das Boot im Verein mit der elektrisch betriebenen Schraube des Ladediesels mit
einer Geschwindigkeit von 12 Seemeilen in der Stunde seinem Ziel näher bringt. In der Morgendämmerung, etwa eine Stunde davor ist mit der Volladung der Batterien zu rechnen.Um 4.00 Uhr
ist die Morgenwache aufgezogen, gegen 5.00 Uhr wollen wir dann wieder rechtzeitig auf Tiefe
gehen, um unseren Rückmarsch nach St. Nazaire während der hellen Tageszeit unter Wasser fortzusetzen. U-618 gehörte zu einer Gruppe von fünf U-Booten die kurze Zeit nach ihrem auslaufen
den Funkbefehl erhielten, durch die Enge von Gibraltar in das Mittelmeer einzudringen. Dies gelang nur zwei Booten U-421 u. U-466, zwei weitere Boote wurden versenkt. U-618 wurde 30 Seemeilen
westlich Gibraltar von einem Flugzeug gebombt und unter Wasser gedrückt. Anschließend herbeigerufene Zerstörer überschütteten das Boot 42 Stunden mit Wasserbombenserien, es gab zahlreiche
Ausfälle und Wassereinbrüche im Bereich der E-Maschinen und in der Zentrale, wo das eingedrungene
Wasser bis über die Flurplatten stand und bei starker Achterlastigkeit sogar bis dicht unterhalb des
achteren Kugelschotts. Starke Klappergeräusche außenbords ab mittlerer Fahrstufe der E-Maschinen
ließen darauf schließen, daß auch an Oberdeck und der Bootsverkleidung einiges zu Bruch gegangen
war. Als U-618 dann -nachdem wir zwei Stunden keine Schraubengeräusche mehr wahrgenommen
hatten- zum Auftauchen gezwungen war, weil sowohl der Batteriestrom als auch die Druckluft so sehr
aufgebraucht waren, daß das Boot damit gerade noch einmal an die Oberfläche gebracht werden konnte
hatten wir bereits über 30 Stunden durch Kalipatronen geatmet, und vor dem Anblasen gab der Kmdt. vorsoglich den Befehl: "Klarmachen zum Aussteigen."
Es mußte damit gerechnet werden das uns an der Wasseroberfläche schon die feindlichen Zerströrer
sehnsüchtig erwarteten. Das Boot durchbrach die Wasseroberfläche blind, denn beide Sehrohre waren
ausgefallen. Der Kommandant kletterte als erster auf den Turm, seine Überraschung war groß, bei
sonnenklarem Wetter war weit und breit kein Flugzeug zu sehen, geschweige denn Zerstörer. Es erfolgte nicht der Befehl "Alle Mann aus dem Boot!" sondern "Ausblasen mit Diesel, Wache auf die
Brücke. Kurs 270 Grad,beide Maschinen Große Fahrt voraus!"
Es galt die Schäden festzustellen, das Ergebniss war niederschmetternd ,das Boot war nicht mehr
Einsatzfähig. Das Boot mußte den Rückmarsch antreten, hier nun die schwerwiegensten Schäden:
Beide Sehrohre waren voll Wasser, das hieß das Boot war unter Wasser blind. Die Funkanlage war
sendeseitig ausgefallen und nicht mehr reparierbar. Das Schlimmste sollte noch folgen, nämlich
das Boot war nur noch tauchklar bis 20 Meter.
Nach Einbruch der Nacht gingen wir auf Nordostkurs direkt auf die Küste von Portugal zu, um uns
gegebenenfalls bei Tageslicht falls erforderlich im flachen Wasser auf Grund legen zu können. Mehr
konnten wir unseren Batterien nicht mehr zumuten,denn die Gesamtkapazität war stark verringert. Einige der Zellen waren gerissen und mußten überbrückt werden. Der Funkempfänger war heil geblieben,so daß wir wenigstens die Möglichkeit hatten, den Funkverkehr der U-Boot-Leitstelle mithören
zu können. Wir wurden aufgerufen unseren Standtort zu melden,wir konnten nicht antworten, ebenso
konnten wir nicht mitteilen das wir schwer beschädigt den Rückmarsch angetreten hatten. Nach zwei
weiteren Tagen erreichte U-618 mit viel Glück und von Feindflugzeugen unbehelligt Cap Finisterre.
Wir schleichen mit 2 Seemeilen über Grund auf der Tiefe von 20 Meter über Kiel dahin, am technischen
Zustand des Bootes hatte sich nicht geändert. Es war der 28 Dezember 1943 an diesem Tag war etwas
anders, wir vernahmen in der Ferne ein Grummeln, es wurde als Geschützdonner angesprochen. Es kam
aus nordwestlicher Richtung , d.h. aus dem offenen Atlantik und wir konnten uns die Ursache nicht erklären.Die Lösung erhielten wir am Abend, als wir erste Funksprüche aufgenommen hatten:
"Deutsche Seestreitkräfte im Gefecht mit englischen Kreuzern" so lautete der Funkspruch. Alle Boote die die Position Quadrat X-Y-Z innerhalb von 24 stunden erreichen können, sollen versuchen,im Wasser schwimmende Überlebende an Bord zu nehmen.
Nach Überprüfung unseres Standtortes waren wir in der Lage den genannten Punkt mit Höchstfahrt
und Kursänderung zu erreichen. Aber bei dem Zustand unseres Bootes? Doch draußen kämpften jetzt
Kameraden im Wasser um ihr Überleben. Da die Aufforderung des BDU funkseitig ohne Antwort blieb, mußten wir annehmen das einzige Boot in der Nähe zu sein, das rechtzeitig zur Versenkungsstelle
gelangen konnte. Das gab den Ausschlag mit Höchstfahrt auf den neuen Kurs 350 Grad zu gehen,nachdem
auch die Männer von U-618 sich der Meinung ihres Kommandant anschlossen. Am 29.12.1943 ereichten
wir die Versenkungsstelle,abermals völlig unbehelligt von Flugzeugen und Seestreitkräften.
Aufgrund eines an gesichteten Feindflugzeugs drehten wir auf 300 Grad da wir annahmen daß das Flugzeug
über der Versenkungsstelle kreise, wir verließen einige Zeit verstreichen bevor wir uns blind an die Oberfläche
wagen konnten (Beide Sehrohre waren ja abgesoffen). Wir sahen Wrackteile und nur Tote in ihren Schwimmwesten dahintreiben. Dann sahen wir ein Floß mit 16 Seeleuten, wir nahmen Sie an Bord. Die Sicht war sehr
gut und wir konnten rechtzeitig vor weiteren Flugzeugen unter Wasser verschwinden. Hierdurch verloren wir
wertvolle Zeit zur Rettung weiterer Überlebender, und erst einen Tag später am 30.12.1943 konnten wir nochmals
5 Seeleute bergen, sie trieben in einen halb vollgeschlagenen V-Boot es war höchste Zeit geworden.
Dann fanden wir nur noch Tote vor, mit 21 Überlebenden von Z 27 traten wir den Rückmarsch nach Frankreich an. Da wir aufgrund unseres Schadens an der Funkanlage nicht in der Lage waren einen Funkspruch abzusetzen, um Einlaufgeleit nach St.Nazaire zu erhalten, steuerten wir einfach den Aufnahmepunkt für Lorient an.
Wie wir dem Funkverkehr entnehmen konnten sollte am 5.01.1944 ein Einlaufgeleit für ein anderes Boot bereitgestellt werden, wir warteten zwei Stunden am Ansteuerungspunkt, das andere Boot kam nicht. Der dort wartende
Sperrbrecher brachte uns heil nach Lorient, wo man allerdings nicht zum Empfang für und bereit stand, da man
uns ja schon abgeschrieben hatte. Die 21 Kameraden von Z 27 die wir gerettet hatten, waren damals froh nicht nur
heil aus dem Wasser geholt worden zu sein, sondern auch darüber daß sie die Fahrt mit einem U-Boot heil überstanden hatten. Wir U-Bootfahrer konnten unsere Kameraden sehr gut verstehen, hatten wir doch damals die große
Sorge mit unserem überfüllten und schwer beschädigten Boot unversehrt nach Hause zu kommen. Seit 1980 treffen sich nun in jährlicher Folge die heute noch lebenden ehemaligen Besatzungsmitglieder von U-618
und mit dabei sind auch immer die Kameraden von Z 27. Der Kommandant erhielt 1987 eine Fotomontage von seiner
Besatzung und den Findelkindern von Z 27 die folgende Überschrift trägt:
WER NICHT MIT UNS WAR
WIRD NIE VERSTEHEN
WAS UNS VERBINDET
Kameraden von U-618 und Z 27
Dieser Artikel wurde mir von Karin und Hartmut Günther Marklendorf mit Erlaubnis des Autors, Kurt Baberg, für "U-Boot - Die Geschichte der dt. WK-II U-Boote" zur Verfügung gestellt.
Copyright by Kurt Baberg und Hartmut Günther.