Grundlagen und Physik der U-Boot-Technik


"So, nun will ich Dir erst einmal das U-Boot erklären und zeigen. Stell dir eine Zigarre vor, innen hohl und aussen aus Stahl, dann ist das U-Boot schon fast fertig. - Du lachst? Ja, wirklich, schneide noch einige Löcher hinein, setze Maschinen hinein, einen Turm obendrauf und dazu eine Kanone, dann hast Du ungefähr schon das, worauf Du stehst. - Natürlich: darin gebe ich Dir recht, so ganz einfach ist die Sache nun doch nicht, denn da gibt´s noch allerhand Kleinigkeiten und Feinheiten, die lebensnotwendig sind."
Aus: "U-Boot-Fahrer von heute" von Joachim Schepke, Im Deutschen Verlag Berlin, 1940

Einem alten Witz zufolge ist der Unterschied zwischen einem U-Boot und einem normalen Schiff nicht sehr gross. Beide können tauchen, der einzige Unterschied ist, das ein U-Boot auch wieder auftauchen kann.

Doch Spass beiseite. Hier soll kurz erklärt werden, warum und wie ein U-Boot (in diesem Text unter besonderer Berücksichtigung der deutschen WK-II U-Boote) tauchen kann, wie es seine Tiefe hält, welche technischen und physikalischen Faktoren während des Tauchens auf das Boot einwirken, und was es auf sich hat mit Tauchzellen, Trimmzellen, Regelzellen, Untertriebszellen, Tiefenruder, Treibstoffbunker, Lastenverteilung und so weiter.

1. Die Tauchzellen

Rein physikalisch gesehen beruht der Tauchvorgang eines U-Bootes und eigentlich jedes anderen Körpers, der ins Wasser gesetzt wird, nur auf dem physikalischen Grundsätzen: Einfacher ausgedrückt: Ein Kubikmeter Balsaholz (wiegt etwa 0,3 Tonnen) ist leichter als ein Kubikmeter Wasser (etwa 1 Tonne) und schwimmt daher, ein Kubikmeter Beton hingegen wiegt etwa 3-4 Tonnen und geht sofort unter, da ein Kubikmeter Wasser ja etwa nur 1 Tonne wiegt.
Der Balsholzwürfel hat also 0,7 Tonnen Auftrieb, der Betonwürfel hingegen 2-3 Tonnen Untertrieb.
Zweifelsfrei schwimmen Schiffe aus Stahl, ja selbst Schiffe aus Beton können problemlos schwimmen, und zwar deswegen, weil ihr Volumen vergrössert ist. Die Luft in den grossen Laderäumen sorgt für genügend Volumen, damit das Schiff insgesamt weniger wiegt als das von ihm verdrängte Wasser. Sinkt ein Schiff, dringt durch ein Leck Wasser ein und verdrängt die leichte Luft. Das Schiff verliert seinen Auftrieb.

Es gibt also zwei Möglichkeiten, im Wasser zu schwimmen, sinken oder schweben: Man verändert das Volumen des Körpers, und sein Gewicht bleibt gleich, oder man ändert das Gewicht, während sein Volumen gleich bleibt.
Erstere Möglichkeit wird von Fischen genutzt, die ihre Schwimmblase (und damit ihr Volumen) vergrössern oder verkleinern. Ein U-Boot nutzt die zweite Möglicheit, in dem die Tauchzellen entweder mit leichter Luft, oder mit schwererem Wasser gefüllt werden und damit ihr Gesamtgewicht verändern.
Wird Wasser über Flutventile in die Tauchzellen gelassen, wird die Luft über die Entlüftungsventile herausgedrückt. Das Boot bekommt Untertrieb und sinkt. ist die gewünschte Tiefe erreicht, werden die Entlüftungsventile geschlossen. Um Aufzutauchen, wird Pressluft aus Druckflaschen in die Tauchzellen gepumpt und das Wasser über die Flutventile wieder herausgedrückt, das Boot bekommt Auftrieb und steigt wieder.

Bild rechts: Das Boot ist aufgetaucht: Entlüftungsventil 3 und Flutventil 4 sind geschlossen. Die Tauchzelle 2 ist zum grössten Teil mit leichter Luft gefüllt.
Innerhalb des hermetisch abgeschlossenen Druckkörpers 1 befindet sich die Mannschaft und sämtliche technische Einrichtungen des Bootes.

Im 2. Weltkrieg fuhren die U-Boote aufgetaucht meist mit geöffneten Flutventilen und geschlossenen Entlüftungsventilen. Durch die sich in den Tauchzellen eingeschlossene Luft konnte durch das offene Flutventil kein Wasser eindringen (der selbe Effekt, wie wenn man ein leeres Glas mit der Öffnung nach unten unter Wasser hält). Zum Alarmtauchen musste dann nur noch die Entlüftungsventile geöffnet werden.
U-Boot aufgetaucht (Schematische Darstellung)


Bild rechts: Das Boot taucht ab: Entlüftungsventil 3 und Flutventil 4 sind offen. Die Tauchzelle 2 füllt sich mit Wasser (hellblau), die Luft entweicht aus dem Entlüftungsventil 3 und durch das Flutventil 4 strömt Wasser ein.
Innerhalb des hermetisch abgeschlossenen Druckkörpers 1 befindet sich die Mannschaft und sämtliche technische Einrichtungen des Bootes.

Ist der Ausgleich zwischen Wassergewicht und Bootsgewicht erreicht, werden Entlüftungs- und Flutventil wieder geschlossen. Das Boot hat nun dasselbe Gewicht wie das von ihm verdrängte Wasser. Es schwebt unter Wasser.
Zum Auftauchen wird das Entlüftungsventil 3 geschlossen, und die Tauchzelle mit Pressluft angeblasen. Das Wasser wird durch das offene Flutventil 4 aus der Tauchzelle gedrückt. das Boot wird leichter als das von ihm verdrängte Wasser und steigt.

Bildquelle beider Bilder: Selbst erstellt. Copyright 2000 by C. Corleis
U-Boot abgetaucht (Schematische Darstellung)

Soweit der einfache Teil. Jetzt greifen in diesen eigentlich recht einfachen Vorgang eine ganze Reihe von Faktoren ein, die die Sache leider komplizierter machen.
Es ist z.B. theoretisch zwar möglich das Boot so auszutarieren, das es exakt so schwer ist, wie das Wasser das es verdrängt, in der Praxis wird es aber immer ein wenig Auf- oder Untertrieb haben. Auch die Tauchtiefe spielt eine Rolle. Je tiefer das Boot sinkt, desto höher wird der Wasserdruck. das Boot wird minimal zusammengedrückt und verändert sein Volumen. Nun muss ein wenig Pressluft in die Tauchzellen gedrückt werden um die Tauchtiefe zu halten und das Boot am "durchsacken" zu hindern.

Beim Steigen sinkt der Wasserdruck. Das Boot muss ein wenig nachfluten, damit es nicht wie ein Korken nach oben schnellt. Auch der ständig wechselnde Salzgehalt des Meerwassers muss berücksichtigt werden. Steigt der Salzgehalt, verändert sich die spezifische Dichte des Meerwassers. Es wird leichter, das Boot steigt. Steigt oder sinkt die Wassertemperatur, ändert sich ebenfalls der Auf- oder Untertrieb des Bootes.

2. Die Regelzellen

Nun wäre es technisch kaum möglich, diese feineren Ungleichmässigkeiten mit den grossen Tauchzellen auszugleichen. Für diesen Zweck gibt es die Regelzellen. Die Regelzellen sind wiederum kleinere flutbare Tanks im Boot, die je nach Salzdichte, Temperatur usw. des umgebenden Seewassers geflutet oder gelenzt werden. Manchmal sind nur wenige Liter mehr oder weniger Wasser in den Regelzellen auschlaggebend.
Aber auch mit Hilfe der Regelzellen ist ein U-Boot kaum exakt auf der gewünschten Tiefe zu halten. Die Feinsteuerung übernehmen die Tiefenruder.

3. Die Tiefenruder

Einem erfahrenen LI (Leitender Ingenieur) gelang es in der Regel, ein U-Boot bis auf 20-30 Kg Auf- oder Untertrieb auf der gewünschten Tiefe zu halten. Die letzte Feinstabstimmung erfolgte am Tiefenruderleitstand mit den am Bug und Heck des Bootes befindlichen Tiefenrudern. Deswegen musste ein U-Boot immer ein wenig Fahrt unter Wasser machen, damit die Tiefenruder auch wirken konnten.

4. Die Trimmzellen

Mit den bisher genannten Faktoren kann man ein U-Boot also auf der gewünschten Tauchtiefe halten. Aber es muss ja auch auf einigermassen ebenen Kiel durch die Tiefe schweben. Dafür dienen die Trimmzellen.
Ist das Boot zwar im Gesamtgewicht mit Hilfe der Tauch- und Regelzellen zwar so angepasst, das es unter Wasser auf der gewünschten Tiefe in der Schwebe bleibt, ist es sehr wahrscheinlich, das die Gewichtsverteilung im Boot selber noch nicht in Ordnung ist: Die schweren Dieselmaschinen könnten z.B. das Heck nach unten ziehen, während der leichtere Bug nach oben ragt.
Achterlastiges Boot (Schamatische Darstellung) Bild links: Das Boot ist 15 Grad achterlastig. Die hintere Trimmzelle 1 ist geflutet, die vordere 2 nicht.

Waagerecht liegendes Boot (Schematische Darstellung) Bild links: Das Boot ist nun in der Waagerechten. Das Wasser aus der hinteren Trimmzelle 1 wurde zum Gewichtsausgleich in die vordere Trimmzelle 2 gepumpt.

Bildquelle beider Bilder: Selbst erstellt. Copyright 2000 by C. Corleis

Um das Boot also auf ebenen Kiel zu kriegen, dienen die Trimmzellen. Diese sind im Bug und am Heck des Bootes angeordnet. Ragt nun also der Bug zu weit nach oben, wird Wasser von den achteren Trimmzellen nach vorne in die Bugtrimmzellen gepumpt, damit das Boot hinten leichter und vorne schwerer wird.

5. Weitere Zellentypen

Die Untertriebszelle: Dies war eine spezielle Tauchzelle unter der Zentrale des U-Bootes, die bei Überwasserfahrt geflutet war. Musste das Boot nun im Alarmfall schnell auf Tiefe gebracht werden, sorgte der Untertrieb der Untertriebszelle für ein schnelleres Tauchmanöver. War das Boot auf Tiefe, wurde die Untertriebszelle angeblasen, daher mit Druckluft das Wasser herausgedrückt, damit das Boot nicht weiter durchsackt.

Die Torpedo-Regelzellen: Die Torpedos in den Bug- und Hecktorpedorohren waren weit schwerer als das von ihnen verdrängte Wasser. Wurde also etwa ein Torpedo aus dem Bugtorpedorohr abgeschossen, wurde das Boot um das Torpedogewicht leichter und der Bootsbug stieg nach oben. Gerade bei den auf Sehrohrtiefe durchgeführten Angriffen bestand die Gefahr, das der Bootsbug durch die Wasseroberfläche bricht und vom Feind gesehen wurde. Es musste also unmittelbar nach dem Torpedoschuss das verlorengegangene Gewicht des Torpedos ausgeglichen werden, in dem die Torpedo-Regelzellen geflutet wurden.

6. Andere Faktoren

Ein getauchtes U-Boot war in einem sehr labilen Gleichgewicht. Bewegte sich nur ein Mann von ca. 80 Kg Körpergewicht vom Bug zum Heck, musste mit den Regelzellen diese Gewichtsverlagerung ausgeglichen werden. Die Darstellung in vielen U-Boot-Filmen, wo Besatzungsmitglieder im getauchten U-Boot wirr hin- und herrennen, entspricht also nicht den Tatsachen. Ausnahme ist das Kommando "Alle Mann voraus!" beim Alarmtauchen, bei dem alle Männer, die nicht wichtige Positionen für den Tauchvorgang innehatten schnellstens in die Bugsektion rannten, um das Boot durch ihr Gewicht schneller auf Tiefe zu bringen. Zusätzlich wurden die vorderen Tiefenruder auf "Hartlage Unten" gestellt.

Ein weiterer Faktur ist auch der Proviantverbrauch. dadurch wurde das Boot insgesamt im Laufe der Feindfahrt leichter. Dies wurde Teilweise ausgeglichen durch den Treibölverbrauch. Da Dieseltreibstoff leichter ist als Wasser, und die aussenliegenden Dieseltanks bei fortschreitendem Treibstoffverbrauch sich von unten mit Seewasser füllten (Das Treiböl schwamm in den nach unten offenen Aussentanks auf dem Wasser) wurde das Boot wiederum schwerer.
Das Tauchverhalten des Bootes musste jeden Tag (manchmal sogar alle paar Stunden) in Tauchversuchen neu ermittelt werden. Die Lastigkeit musste neu bestimmt werden, die Füllung der Regelzellen, Dichte und Temperatur des Meerwassers... und...und...und...

Diese kleine Page kann nur einen relativ groben Überblick über die wichtigsten Einrichtungen eines U-Bootes geben. Wer heute das Museumsboot U-995 in Laboe besucht, und die unzähligen Ventile, Handräder, Leitungen, Anzeiginstrumente, Hebel, Schalter, die Notitztafeln für alle Tauch-, Regel-, Trimmzellen sieht, bekommt einen Eindruck davon, was die Männer damals leisten mussten, um ihr Boot schnell und sicher unter die Wasseroberfläche, und auch wieder ans Tageslicht zu bringen. Die Steuerung eines WK-II U-Bootes war komplizierter als die Steuerung eines Space-Shuttles. Es gab keine Bodenstation, kein "Houston, dem man ein Problem melden konnte". Die Besatzung war in ihrem U-Boot ganz auf sich allein gestellt. Unzählige Übungsstunden am Simulator und in den Ausbildungsflotillen waren nötig, um dieses Können und das nötige Gefühl für ein U-Boot zu erwerben. Jeder Handgriff musste sitzen, nur ein kleiner Fehler, eine Unachtsamkeit, und die Besatzung sackte mit ihrem Boot in ein nasses Grab!