Als U-30 unter Kapitänleutnant Fritz Julius Lemp am 3. September 1939 den britischen Passagierdampfer "Athenia" warnungslos versenkte und damit 112 Zivilisten, vor allem Frauen und Kinder, in den Tod schickte, wurde das Bild der Deutschen U-Boot-Waffe in der Welt noch negativer, als es ohnehin schon war. Zudem machte die U-Boot Führung den Fehler, den Vorfall rundweg zu leugnen. Das Kriegstagebuch wurde gefälscht und Lemp nicht zur Verantwortung gezogen.
Für die Briten war der Vorfall allerdings auch ein "gefundenes Fressen", um die U-Boote als "barbarische Nazi-Instrumente" zu verurteilen. Das die "Athenia" aber verdunkelt und mit Zickzackkurs -wie ein Kriegschiff oder feindlicher Frachter- fuhr, wird auch heute in den meisten U-Boot Büchern überhaupt nicht erwähnt. Dadurch hatte Lemp die Athenia versehentlich falsch angesprochen und als Truppentransporter oder Munitionsdampfer gesehen. (Die Versenkung der Wilhelm Gustloff durch ein sowjetisches U-Boot wird noch seltener erwähnt.) Die schreckliche Verwechslung Lemps und der plumpe Vertuschungsveruch zogen Kreise. Bis dahin war es üblich gewesen, das ein U-Boot vor einem feindlichen Frachter auftauchte, die Besatzung warnte, das Funkgerät zu benutzen (Donīt use your wireless!) und ihr Zeit zum Verlassen des Schiffes bot, bevor es Torpediert wurde. Innerhalb von 12 Monaten ließ die Kriegsführung der Deutschen aber alle Völkerrechtlichen Vereinbarungen fallen: Ab den 20 August 1940 durfte jedes Schiff, egal welcher Nationalität, das vor den Britischen Inseln aufgespürt wurde, warnungslos versenkt werden! Trotzdem: Geschichten, nach denen Deutsche U-Boote Rettungsboote immer wieder gerammt oder beschossen haben, sind schlichtweg erlogen und beruhen auf alliierter Propaganda. Es ist nur ein einziger wirklich belegter Fall bekannt, nach dem ein Deutsches U-Boot Schiffsbrüchige beschossen hat:
(Die Affäre Eck, U-852).
Ein Grossteil der Geschichten über hilflose Schiffbrüchige beschiessenden U-Boote wird auch dadurch entstanden sein, das besonders junge und unerfahrene Besatzungen mit dem schweren Deckgeschütz noch nicht gut umgehen konnten. Nicht immer war die Zielgenauigkeit auf dem schwankenden Boot (und erst recht bei rauher See) besonders gut. Krepierende Granaten und Splitter, die freilich dem Schiff und nicht den Rettungsbooten galten, wurden propagandatechnisch wirkungsvoll "aufgebauscht".
Einer dieser Vorfälle ereignete sich bei der Schlacht um den Geleitzug SC7, die als "die Nacht der langen Messer" bekannt wurde:
Jetzt näherte sich wieder das erste U-Boot, mit dem die "Clintonia" den Zweikampf geführt hatte, und belegte das Schiff mit Granatfeuer. Den Männern in den Rettungsbooten stellte sich eine unglaubliche Szene dar: ...während der eine Deutsche das Feuer eröffnete, musste sich der andere schnell zurückziehen, weil er sonst in der Feuerlinie lag. Da die Deutschen nicht sehr genau zielten, bekamen auch die Männer in den Booten etwas ab. Drei Geschosse pfiffen direkt über ihre Köpfe hinweg... (Aus "Die Nacht der U-Boote" von Paul Lund / Harry Ludlam)
Im Buch "Der Wolf im Atlantik" von Terence Robertson wird dieses "Feuergefecht" aus der Sicht des U-Boot-Kommandanten des Bootes, das sich in Bericht von Lund/Ludlam "schnell zurückziehen" musste, nämlich U-99 unter Otto Kretschmer, beschrieben:
Zu nicht geringem Erstaunen tönt plötzlich hinter dem Frachter Geschützfeuer auf. Granaten orgeln widerlich pfeifend durch die Luft und krepieren nur ein paar 10 Meter neben U-99 in der See. Kretschmer bringt sein Boot aus der Gefahrenzone, umfährt die "Clintonia" und erkennt ein anderes deutsches U-Boot (U-123)...
... und seine Kritik ist nicht eben erbaulich über die Geschützbedienung des anderen Bootes...
Zu Beginn des Krieges versuchten die U-Boot-Besatzungen sogar, die Überlebenden ihrer Opfer mit Vorräten, Seekarten und Kompass zu versorgen. Im -auf beiden Seiten- ständig brutaler geführten Krieg wurde diese Praxis aber ab September 1942 verboten. Selbst in den Verhandlungen zu den Dreharbeiten für den Film "Das Boot" bestand eine Amerikanische Filmgesellschaft auf eine -im Roman gar nicht vorkommende- Szene, in der U-96 ein Rettungsboot beschießen sollte. "Das Boot" wurde bekanntlich denn nicht in den USA gedreht. In dem Film "Einsatz im Nordatlantik" mit H. Bogart, der im Krieg gedreht wurde (Action in the North Atlantic,1943, Warner Bros.), kommt eine solche propagandatechnisch wirkungsvolle Szene mit einem typisch steifen Nazi-Kommandanten in voller Ausgehuniform (an Bord einen U-Bootes!) natürlich vor: "Ihr dummen Amerikaner, wir werden euch rammen!"
Nicht immer war Propaganda reine Lüge: Dieses alliierte Flugblatt beschreibt die Tragödie der verheizten U-Boot-Männer, die erst nach dem Krieg in Deutschland bekannt wurde. Natürlich wollte das damals niemand glauben und schon der Besitz eines solchen Flugblattes war gefährlich. Bildquelle: Das Flugblatt wurde mir von Josef Gartmann zur Verfügung gestellt, der es trotz der Gefahr, die der Besitz eines solchen Schriftstückes zur NS-Zeit mit sich brachte, in unsere Zeit hinüberretten konnte. |
Auch dieses Flugblatt, dem ersten recht ähnlich, kann man kaum als "Propagandalüge" bezeichnen. Bildquelle: Das Flugblatt wurde mir von Josef Gartmann zur Verfügung gestellt, der es trotz der Gefahr, die der Besitz eines solchen Schriftstückes zur NS-Zeit mit sich brachte, in unsere Zeit hinüberretten konnte. |