Die "grauen Wölfe": Rudeltaktik der Deutschen WK-II U-Boote
Schon seit 1935 hatten sich Dönitz und sein Stab mit der gruppenweisen Führung von U-Booten, der sogenannten ,"Rudel-Taktik" beschäftigt. Die Grundzüge dieser Taktik bestanden darin, daß der B.d.U. U-Boote in einem bestimmten Gebiet konzentrierte, ohne daß die zusammengezogene Gruppe einem Abschnittskommando unterstellt wurde. Während des Angriffs, der gemeinsam geführt wurde, hatte jeder U-Boot-Kommandant volle Handlungsfreiheit. Wie Dönitz schreibt, handelte es sich darum, daß eine gewisse Anzahl von U-Booten planmäßig zu einem Angriff herangeführt wurde, wobei die einzelnen Boote während der Aktion nicht befehlsgebunden waren, aber als Team koordiniert zusammenarbeiten mußten. Es mußte also geklärt werden:
- Die Nachrichtenübermittlung: Bei den über Wasser und auf Sehrohrtiefe fahrenden U-Booten war die Funkverbindung kein Problem, aber die Nachrichtenverbindung mit Booten in Tauchfahrt war eine schwer zu lösende Aufgabe. Man verwendete Langwellen, die vom U-Boot bis zu einer Tiefe von 20 m empfangen werden konnten. Auf kurze Entfernungen konnten die U-Boote untereinander auch die UT (Unterwassertelefonie) eingesetzen. Allerdings viel diese Kommunikationsmöglichkeit während des Angriffes aus, da der Lärm der Frachter, die Torpedo- und Wasserbombendetonationen alles übertönten.
- Der Chiffreschlüssel mußte einfach sein, um die routinemäßige Entschlüsselung nicht zu schwierig zu gestalten, er mußte aber doch so kompliziert und ausgeklügelt sein, daß der Feind nicht womöglich den Schlüssel rekonstruieren konnte. Der für die Entschlüsselung zuständige U-Boot-Offizier stellte das Kennwort des Code auf einer Maschine (Enigma) ein, die zwei Millionen Kombinationen ermöglichte. Die verschlüsselt aufgenommene Nachricht wurde auf einer Schreibmaschine getippt, der Klartext konnte auf einer Scheibe abgelesen werden.
- Die Karte des Atlantischen Ozeans wurde in Quadrate eingeteilt, die mit Buchstabenkombinationen bezeichnet waren und von denen jedes wieder in neun Quadrate unterteilt war, und auch diese Unterteilung zerfiel noch einmal in weitere kleine Quadrate. Wurde nun etwa im Sektor AK 58 ein Geleitzug gesichtet,(oft vom sogenannten "Beschatter", ein U-Boot das den Geleitzug augespürt hatte und im sicheren Abstand folgte und ständig neue Meldungen über Geschwindigkeit, Bewachung, Größe und Kurs des Geleitzuges durchgab) so gab der B.d.U. den Befehl, daß sich alle Boote, die sich im Sektor AL 98 befanden, im Sektor AK 58 zu sammeln hätten. Zuweilen wurden als Aufklärer eingesetzte Überwasserschiffe mit der Nachrichtenübermittlung betraut oder sie wurde auch manchmal einem der operierenden U-Boote übertragen. Die Entfernungen, in denen die einzelnen U-Boote fahren mußten, damit den Wachen auf der Brücke kein feindliches Schiff entging, lehrte die Erfahrung. Die 5 bis 20 im Rudel operierenden Boote fuhren in Aufklärungsstreifen, der gesamte Verband bewegte sich mit einer festgesetzten Geschwindigkeit. Die ersten Einsätze von U-Boot-Rudeln im Atlantik erfolgten im Oktober 1940, doch wegen der geringen Anzahl an zur Verfügung stehenden Booten konnte diese Art der Gruppentaktik erst im März 1941 voll wirksam werden.
Bild: Schematischer Aufbau eines alliierten Geleitzuges. Die Halbkreissegmente bezeichnen den von den Eskorten bestrichenen ASDIC-Raum (160°). Diesen Sicherungsschirm mußten die U-Boote durchdringen. (Abstände der Schiffe & Entfernungen im Bild nicht Maßstabsgetreu!)
Bildquelle: Selbst erstellt nach einer Vorlage aus dem Buch "Geschichte des U-Bootkrieges 1939/1945" von Leonce Peillard.
Vielfach glaubt man, daß ein U-Boot immer unter Wasser fährt, getaucht seine Torpedos verschießt und nur auftaucht, um seine Batterien nachzuladen und der Besatzung eine Atempause zu gönnen, während die Ventilatoren die Räume des Bootes durchlüften. Bis zum Jahr 1945, dem Beginn des Atomzeitalters, war das nicht so. Ober Wasser fuhren die Boote 16 bis 18 kn, getaucht höchstens 7 kn. Es war wichtig, mit den feindlichen Geleitzügen Fühlung zu halten und den Gegner an backbord oder an steuerbord zu überholen, um aus einer günstigen Stellung angreifen zu können. Die geringe Höhe des Turmes verminderte die Gefahr des Gesichtetwerdens, die Boote näherte sich dem Ziel bis an die Grenze des Entdecktwerdens. Die Angriffe fanden in der Nacht statt. Bei Tag anzugreifen, war zwar kühn, aber wegen der Geleitfahrzeuge gefährlich. Gewöhnlich führten die Torpedierungen zu einem Durcheinander in der Fahrordnung der Handelsschiffe, die, im Zick-Zack-Kurs laufend, einander behinderten, ja sogar rammten. Einige Frachter wurden oft nur beschädigt, und fielen hinter dem Geleitzug zurück. Andere Frachterkapitäne glaubten, alleine besser weiterzukommen, und brachen aus dem schützenden Geleit aus. Diese Schiffe wurden schnell zur leichten Beute für die U-Boot-Rudel. Die Eskorten konnten sich nicht auf den von allen Seiten angreifenden Feind einstellen. Verfolgten sie ein Boot, vielen die anderen U-Boote in die Lücke ein und schossen einen Frachter nach dem anderen aus dem Geleit. Das Kriegstagebuch des Kapitänleutnants Kretschmer schildert ein solches Unternehmen:
18. Oktober. 23.30 Uhr. Ich greife nun den rechten Flügel des vorletzten Gliedes an. Bugschuß auf großen Frachter. Da der Dampfer zuzackt, geht der Torpedo vorn vorbei und trifft dessen noch größeren Nebenmann nach einer Laufstrecke von 1740 m. Dieses Schiff, etwa 7000 BRT groß, wird in der Höhe des vorderen Mastes getroffen und sinkt mit dem Vorschiff schnell bis zur und unter die Wasseroberfläche, da anscheinend zwei Laderäume volllaufen.
23.55 Uhr. Bugschuß auf großen Frachter, etwa 6000 BRT, Entfernung 750 m. Treffer vorderer Mast. Der Torpedo-Detonation folgt unmittelbar eine durch eine hohe Stichflamme begleitete Explosion, die das Vorschiff bis zur Brücke aufreißt und deren Qualmwolke etwa 200 m hoch steht. Vorschiff anscheinend gebrochen. Schiff brennt weiter mit grünlicher Flamme.
19. Oktober. 00.15 Uhr. Drei Zerstörer nähern sich dem Schiff und suchen in Dwarslinie die Umgebung ab. Ich laufe mit äußerster Kraft ab nach Süd-West und gewinne bald wieder Anschluß an den Geleitzug. Es sind dauernd Torpedo-Detonationen anderer Boote zu hören. Die Zerstörer wissen sich nicht zu helfen und schießen dauernd zu ihrer Beruhigung Leuchtgranaten, die aber in der hellen Mondnacht nicht viel ausrichten. Ich fange nun an, den Geleitzug von achtern abzubauen.
01.38 Uhr. Bugschuß auf großen, tiefbeladenen Frachter von etwa 6000 BRT, Entfernung 945 m. Treffer am vorderen Mast. Schiff sinkt in der Detonation.
01.55 Uhr. Bugschuß auf den nächsten großen Dampfer von etwa 7000 BRT. Entfernung 975 m. Treffer am vorderen Mast. Schiff sinkt innerhalb von 40 sec.
Wie konnte dies alles während der Aktion so genau festgestellt werden? Ein Unteroffizier hatte in der Zentrale die Seekarte vor sich ausgebreitet. Auf ihr wurden die Befehle des Kommandanten vermerkt, was nicht nur eine schnelle Auffassungsgabe, sondern
auch eine genaue Kenntnis der Taktik erforderte. Nach dem Angriff wurden die Aufzeichnungen auf der Karte vom Kommandanten für seine Meldung ausgewertet.
Gerade in der Anfangsphase des Krieges bereitete die Rudeltaktik den Allierten besonders große Probleme. Die Eskorten waren - im krassen Gegensatz zu den U-Boot-Rudeln- noch nicht in "Teamwork" ausgebildet und oft nur aus den gerade zu Verfügung stehenden Schiffen "zusammengewürfelt" worden. Wenn ein U-Boot-Rudel einen Geleitzug erst einmal eingekreist hatte, war es zu spät. Die Eskorten setzten alles daran, einen gesichteten "Beschatter" zu versenken oder abzudrängen, bevor er ein Rudel versammeln konnte.
Bild: Schematischer Aufbau der alliierten Geleitzugrouten. Die grauen Quadrate bezeichnen die Deutschen U-Boot-Stützpunkte. Von oben nach unten sind dies: Drontheim, Bergen, Kiel, Wilhelmshaven. Nach der Besetzung Frankreichs kamen die Stützpunkte Brest, Lorient, St. Nazaire, La Rochelle und Bordeaux an der Französischen Küste hinzu.
Bildquelle: Selbst erstellt nach einer Vorlage aus der U-Boot-Computersimulation "Aces of the deep"
Im weiteren Kriegsverlauf entwickelten die Alliierten immer bessere Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Deutschen U-Boote. Die Zusammenarbeit der Eskorten wurde verbessert. Eine Eskorte hielt z.B. ASDIC-Peilung und gab diese Daten an die anderen Eskorten weiter, die die getauchten U-Boote angriffen. Die Ortungsgeräte wurden immer weiter verbessert und erlaubten bald auch die Feststellung der genauen Tauchtiefe der U-Boote. Später konnten sogar Torpedos geortet werden. Auch das Radar wurde immer weiter entwickelt und machte es gegen Kriegsende sogar möglich, ein Angriffsehrohr zu orten.
Trotzdem wurde der "Sieg" über die "grauen Wölfe" teuer erkauft: In den letzten Kriegsmonaten wurden von den alliierten Streitkräften im Durchschnitt fünfundzwanzig Kriegschiffe und hundert Flugzeuge eingesetzt, um ein Deutsches U-Boot zur Strecke zu bringen!
Bildquelle: Selbst erstellt nach Daten aus dem Buch
"U-995 - Das U-Boot vor dem Marine-Ehrenmal in Laboe"
von Eckard Wetzel